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«Ich kann ausmachen, wann ich in meiner Kraft bin»

Die Abwesenheit von Glück hat Christine Abbühl dazu bewegt, nachzuforschen: «Was macht mich glücklich? Was ist mein Herzenswunsch?» Als sie die Antwort hatte, hat sie ihre alte Firma sauber an ihre Geschäftspartnerin übergegeben. Heute hilft sie anderen Menschen, ihre Urkraft zu finden.

Christine, als wir uns 2014 kennengelernt haben, habe ich Dich eher mit Technik und Consulting verbunden – nicht mit Urkraft. Was ist passiert?
Christine Abbühl: Ich habe irgendwann gemerkt, dass ich nicht glücklich war. Deswegen habe ich näher auf die einzelnen Lebensbereiche wie Partnerschaft, Wohnsituation und Arbeit geschaut und mich gefragt: Woher kommt die Unzufriedenheit? Was ist mein Herzenswunsch? Was macht mich eigentlich glücklich?

Wie hat Dein Umfeld auf die Veränderung reagiert?
Sehr unterschiedlich. Negative Reaktionen habe ich nicht erlebt, aber das hängt wohl auch damit zusammen, dass ich ein Alter erreicht habe, in dem man mir das Reflektiertsein zutraut. «Christine, du bist so relaxt», heisst es immer wieder. Diese Reaktionen finde ich schön.

Urpunkt heisst das Unternehmen, das Christine Abbühl am 1. Januar 2019 gestartet hat. Sie lebt mit ihrer Familie in einem Mehrfamilienhaus ohne Balkon und Garten in Bern. Ihr Garten befindet sich im Simmental. Weil sie nicht täglich dort ist, hat sie ihn so angelegt, dass er auch zwei, drei Wochen ohne sie auskommt. Glück ist für sie die innere Zufriedenheit, die zum Beispiel dann entsteht, wenn Menschen mit Sorgfalt und Achtsamkeit handeln. Porträts Daniela Haldemann / Symbolbild Johannes Plenio auf pixabay

Was hat sich dadurch verändert?
In mir ganz viel. Ich fühle mich glücklicher, gut, bin bei mir angekommen. Die Rückmeldungen, die ich von anderen Menschen bekomme, zeigen mir, dass auch meine Umwelt die Veränderungen wahrnimmt.

Du hilfst Menschen dabei, in ihre Urkraft zu kommen, zum Beispiel im Garten. Wie muss man sich das vorstellen?
Der Garten kann den Menschen wieder ein Verständnis für die Natur geben. Wenn sie sich mit ihrem Garten verbinden und ein Gefühl dafür bekommen, was ihnen guttut. Der erste Schritt ist herauszufinden, was der Mensch wirklich will. Was wünsche ich mir von meinem Garten? Soll er mir Ruhe bieten oder Inspiration? Ist es der ganze Garten? Nur ein Teil?

Die Urkraft ist schwer zu fassen.
Ja, das ist so. Ich möchte Menschen dabei unterstützen, dass sie wieder zum Natürlichen kommen und dass sie aus dem Einfachen Kraft schöpfen können. Es geht nicht darum, das Exotische zu verbannen. Mir geht es um eine bewusste Entscheidung. Das hat auch mit Nachhaltigkeit zu tun.

Wie meinst Du das?
Zum Beispiel wenn man Erdbeeren um die Weihnachtszeit kaufen kann – es gibt Menschen, die das toll finden. Ich glaube, genau diese Menschen sind weit weg von ihrer Urkraft.

Hat die eigene Urkraft auch mit Loslassen und Ausmisten zu tun?
Es kann sein, dass Ausmisten bei jemandem dazugehört, aber ich arbeite mit Menschen nicht in Innenräumen. Im Garten hat das vielmehr damit zu tun, dass er einem selbst entspricht. Jemand, der seinen Garten so gestalten möchte, dass es alle toll finden, ist bei mir nicht richtig. Aber ein Mensch, der einen Garten möchte, in dem er sich wohlfühlt und wo er entspannen kann – da finden wir das Richtige.

Christine Abbühl in ihrem Garten im Simmental.

Kannst Du Deine Urkraft umschreiben?
Ich kann ausmachen, wann ich in meiner Kraft bin. Das bin ich, wenn alles im Fluss ist. Ich bin nicht in meiner Kraft, wenn es mühsam wird, wenn ich Mauern einrennen muss.

Wie geht das im normalen Leben? Wenn man kein Einsiedler ist, trifft man doch immer wieder auf Widerstände.
Jeder Einzelne beeinflusst sein Umfeld. Wenn ich etwas ausstrahle oder tue, dann macht sich das in meinem Umfeld bemerkbar. Es ergibt sich dann wie natürlich, dass manche Menschen vielleicht einfach nicht mehr Teil meines Lebens sind.

Kannst Du mehr zu Deiner inneren Überzeugung sagen?
Meine Vision ist: Ich handle aus dem Herzen, und ich bin wahrhaftig. Wenn ich davon abweiche, wird es schwierig. Das heisst nicht, dass ich immer danach handle, aber es ist mir wichtig. Dann sage ich jemandem auch mal, dass er mir auf den Geist geht.

Wir müssen immer lieb und nett sein: Das ist völliger Humbug.

Da kommt bei mir gleich der Reflex: Das darf man nicht.
Dieses Verhalten wurde uns aberzogen. Wir müssen immer lieb und nett miteinander sein, aber das ist völliger Humbug. Wir sollten offen und ehrlich sein, anstatt die Fassade aufrechtzuerhalten. Es gab eine Zeit, da war so ein nettes Verhalten wichtig. Wenn ich wieder bei mir sein will, muss ich solche Dinge ablegen.

Zum Abschluss: Was empfiehlst Du mir als Mutter? Wie kann ich meinen Kindern helfen, bei sich zu bleiben?
Kinder machen nach. Wenn Du ganz begeistert auf dem Balkon etwas machst und sie mitwühlen dürfen, dann hast Du einen ersten Schritt gemacht. Lass sie auf dem Balkon oder auf der Fensterbank etwas anpflanzen, das sie mögen. Vielleicht auch etwas Blühendes, das Insekten gernhaben. Und Kinder lieben es zu ernten. Wenn ich ein Brot habe und frische Kräuter darauf streuen darf oder Erdbeeren, die ich selbst gepflanzt habe – da bin ich ganz nah dran.

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