Die Sitzung
Sind Sitzungen noch zeitgemäss? Das fragt man sich als Vorgesetzte hin und wieder. Müssen wir sie einer Generalüberholung unterwerfen? Zeit, die Abschaffungsfrage zu stellen – aus der Sicht von drei fiktiven Teilnehmern.
Typ Nummer eins hat sich innerlich längst von Sitzungen verabschiedet, weil unnötig und überflüssig. Von der Art, wie Typ Nr. 1 die Arme vor der Brust verschränkt, könnten wir alle noch etwas lernen. Und wenn sie ihre gepflegten Brauen hebt: eine Sitzungsexpertin, unverkennbar. Gründe, die Brauen zu heben, gibt es einige: Das Sitzungszimmer ist nicht gelüftet, Kollege A. ist natürlich zu spät, Kollegin T. hat das Wie-sag-ichs-in-drei-Sätzen-Seminar noch immer nicht besucht. Für Typ Nummer eins ist Sitzungsgeld nichts anderes als Schmerzensgeld, wenn auch viel zu tief angesetzt.
Ganz anders sieht das Typ Nummer zwei. Sie ist der konstruktiv-positiv-perspektive Typ. Statt Sitzung spricht sie lieber von Beratung. Ihr geht es darum, Menschen zu treffen und sich gegenseitig auf den gleichen Wissensstand zu bringen – auch mal im Stehen oder im Gehen. Man diskutiert über ein Thema und trifft eine Entscheidung. Dabei nimmt sie Mehraufwand gerne in Kauf, auch wenn sich die Arbeit auf ihrem Pult türmt. Sie sagt: Wie könnte sich die Welt ohne Sitzungen drehen? Beibehalten, unbedingt.
Und Typ Nummer drei? Der eigentliche Held. Seine Rolle besteht darin, nicht aufzufallen. Wenn die Welt nicht aus den Fugen gerät, dann dank ihm. Er wählt den Sitzungsort so, dass alle entspannt anreisen können. Er bestellt ein Bouquet, das die Stimmung im frisch gelüfteten Raum hebt. Er pimpt die Powerpoint-Präsentation, sodass sie in drei Sprachen verständlich ist und neben dem perfekt temperierten Mineralwasser findet jeder Sitzungsteilnehmer eine süsse Aufmerksamkeit, damit die Sitzung den richtigen Gout bekommt. Typ Nummer drei hängt an seinem Job. Aber hätte er eine Wahl, er würde die Hälfte der Sitzungen 2019 streichen.
Kann sie also weg, die Sitzung? Nein, entscheiden wir als Chefs. Auf keinen Fall. Wo sonst würden sich die drei Typen freiwillig zusammen an einen Tisch setzen? Wir behalten sie. Zum Aushecken von neuen Ideen, für manche nur zum Ausruhen oder als abwechslungsreiche Komödie. Aber vielleicht kippen wir ein paar Sitzungen aus der Agenda, einfach so.
Die Kolumne ist Teil der Serie «Mehrwert» des Verbands Frauenunternehmen,
erschienen am 31. Januar 2019 in der «Handelszeitung».