“Man muss auch im Teenie-Alter noch sehr präsent sein”
“Mit drei Kindern ist aussertourlich immer etwas los”, weiss Doris aus Erfahrung. Solange ihre Kinder klein waren, arbeitete sie in niedrigen Teilzeitpensen. 2015 bot man ihr an, Chefredaktorin einer lokalen Tageszeitung zu werden. Sie griff zu und ging auf 80 Prozent.
Wie regeln Du und Dein Mann die Kinderbetreuung?
Doris: Da meine Kinder bereits schulpflichtig sind, ist es mit der Kinderbetreuung mittlerweile etwas einfacher geworden. Vormittags schicke ich die Kinder in die Schule, mittags kommen zumindest die jüngeren zwei heim. Am Montag- und Dienstagnachmittag habe ich in der Regel frei. Da stehen dann Schlagzeugstunde, Schwimmkurs usw. auf dem Programm. Mittwochs kommt meine Mama, kocht bei mir und betreut die Kinder nachmittags. Donnerstags und freitags sind sie jeweils über den Mittag und nach der Schule bei meiner Schwägerin, die in der Nähe wohnt und als Tagesmutter tätig ist. Mittlerweile klappt das ganz gut. Als die Kinder noch kleiner waren, kam es ab und zu vor, dass sie anstatt zur Tagesmutter nach Hause gelaufen sind. Da kam dann manchmal ein Anruf von der Nachbarin …
Zeitdruck ist sowieso ein grosses Problem.
Wenn alle Stricke reissen: Wer ist Dein Back-up?
Meine Mutter, sie wohnt glücklicherweise nicht weit weg und ist beruflich recht flexibel. Auch während der Schulferien kommt sie verstärkt zum Einsatz. Schulferien sind immer eine Herausforderung. Da wird der sonst schon grosse Spagat meistens noch ein Stückchen grösser.
Wie organisiert Ihr Euch, wenn die Kinder krank sind?
Puh, das kommt auf die Situation an. Wenn es den Kleinsten erwischt, dann bleiben entweder mein Mann oder ich zu Hause oder meine Mutter springt ein. Die Grösseren kann man auch mal ein paar Stunden alleine lassen. Dadurch, dass sowohl mein Mann und ich einen Arbeitsweg von 5 Minuten haben, wären wir im Notfall rasch zu Hause. Wir können so auch zwischendurch rasch daheim vorbeischauen. Aber optimal ist diese Situation natürlich nie.
Was sollten auch andere wissen?
Naja, Erfahrungen zu teilen ist schwierig. Schliesslich sind die Voraussetzungen in jeder Familie andere und auch die Kinder sind total unterschiedlich. Ich hatte riesiges Glück, dass ich auf ein tolles familiäres Umfeld zurückgreifen konnte. Und ich habe sehr grossen Respekt vor Eltern, die das ohne Hilfe in der Familie geregelt kriegen.
Wenn beide berufstätig sind, dann hält halt niemand den Rücken frei.
Was hat sich an Deiner Art zu arbeiten geändert, seit Du Kinder hast?
Als die Kinder klein waren, habe ich in kleineren Pensen Teilzeit gearbeitet, das fand ich recht unbefriedigend, weil ich immer das Gefühl hatte, nicht nah genug am Geschehen dran zu sein. Jetzt arbeite ich 80 Prozent, bin aber damit stärker unter Zeitdruck, weil ich meinen Job einfach in weniger Zeit zu erledigen habe. Zeitdruck ist sowieso ein grosses Problem. Morgens muss ich schauen, dass die Kinder nicht zu lange trödeln, damit ich rasch aus dem Haus komme. Abends muss ich manchmal die Kinder irgendwo abholen, das heisst dann, dass ich zu einer gewissen Zeit meinen Artikel fertig geschrieben haben muss. Wenn man dann alles so hastig macht, ist das zum Teil sehr unbefriedigend.
Ich hätte der Dame sagen sollen, dass ich mir eher beim Interview-Tippen als beim Staubsaugen eine Sehnenscheidenentzündung einhandeln werde.
Es ist schon so – in früheren Generationen haben die Frauen den Männern den Rücken freigehalten. So konnte sich der Mann voll auf die Arbeit konzentrieren. Wenn beide berufstätig sind, dann hält halt niemand den Rücken frei und man muss sowohl im Geschäft als auch zu Hause alles managen. Da kommt es natürlich vor, dass ich mal vergesse, vor dem Schulausflug einen adäquaten Znüni einzukaufen oder das Turnzeug bei der Tagesmutter zu deponieren, weil am Nachmittag Turnunterricht auf dem Programm steht. Bei drei Kindern ist es manchmal schwierig den Überblick zu behalten. Aber so lernen die Kinder auch mitzudenken. Sie wissen, dass die Eltern nicht immer alles auf dem Radar haben und sie ihr Schwimmzeug selber einpacken müssen.
Die Logistik ist enorm.
Du arbeitest seit November 2015 im Jobsharing. Warum würdest Du dieses Modell weiterempfehlen?
Ich arbeite nicht direkt im Jobsharing, es ist einfach so, dass wir die Chefredaktion doppelt besetzt haben. Unsere Aufgaben sind klar geteilt – mein Kollege ist Blattmacher und ich leite die Redaktionssitzung, teile Journalisten ein, diskutiere und verteile Themen und schreibe eigene Geschichten und Interviews. Eigentlich ist das ein bisschen so wie zu Hause, wenn Mama und Papa da sind, gibt es auch zwei Chefs, so ist das auch bei uns. Wenn man sich gut versteht und am gleichen Strick zieht, dann funktioniert das eigentlich recht gut.
Was fordert Dich aktuell am meisten heraus puncto Kinder und/oder Job?
Wie gesagt, die Logistik ist enorm. Man muss die Stundenpläne der Kinder im Kopf haben, wissen, wann sie Prüfungen haben und wie sie am besten darauf lernen. Dazu kommen Hobbys, Geburtstagspartys, Kuchen, die man für Festchen bringen sollte, Gspänli, mit denen sie abmachen wollen und am Wochenende noch Sportturniere etc. Mit drei Kindern ist eigentlich immer aussertourlich irgendetwas los. Wenn mein Mann oder ich zusätzlich berufliche Termine ausserhalb der regulären Arbeitszeiten haben, wird es kompliziert. Und das kommt sowohl bei meinem Mann als auch bei mir sehr oft vor…
Wenn man kaum Zeit für sich hat, weiss man diese kleinen Inseln sehr zu schätzen.
Die Art der Betreuung ändert sich mit dem Alter der Kinder, weg vom Körperlichen hin zum Geistigen. Wie hast Du das erlebt?
Ja, das ist schon so. Und das ist ein Punkt, den ich enorm unterschätzt habe. Ich habe mir vorgestellt, dass der Betreuungsaufwand sinkt, wenn die Kinder mal im Teenie-Alter sind. Aber das stimmt nur bedingt. Man muss auch dann noch sehr präsent sein. Sonst besteht Gefahr, dass die Kids nach der Schule nicht mehr gleich heimkommen, sondern mit Kollegen irgendwo abhängen. Oder sie vertrödeln ihre Zeit am Handy, anstatt zu lernen. Das Handy ist in dem Alter sowieso Erziehungsfeind Nummer eins. Ich finde es schwierig, diesbezüglich das richtige Mass zu finden. Für kleine Kinder gibt es Kitas, da sind sie den ganzen Tag gut betreut. Für Teenager gibt es keine Kita und bei uns auch keine Tagesschulen mit Betreuung mehr. Ich finde, dass das fehlt.
Freiheit – was bedeutet der Begriff für Dich als berufstätige Mutter?
Am Samstagmorgen gemütlich um den Vita Parcours zu joggen oder mal zu Freundinnen nach Zürich fahren und dort gemütlich brunchen. Wenn man kaum Zeit für sich hat, weiss man diese kleinen Inseln sehr zu schätzen.
Ich wünsche mir einen längeren Elternurlaub, den sich auch alleinerziehende Mütter leisten können, die kein hohes Lohnniveau haben.
Was wünschst Du Dir von Gesellschaft oder Politik?
Ich wünsche mir, dass Chefs erkennen, dass mit etwas Kreativität und Teamgeist Teilzeitpensen in Führungspositionen durchaus möglich sind. Solange wir eine Kultur leben, in der es sexy ist, möglichst viele Überstunden anzuhäufen, wird sich kaum etwas ändern. Erst wenn auch Männer nicht mehr abends um 19 Uhr im Büro «Schaulaufen» müssen, um zu beweisen, wie hart sie arbeiten, wird sich diesbezüglich etwas ändern. Ich wünsche mir ausserdem mehr weibliche Vorbilder in den Führungsetagen. Es darf nicht mehr so sein, dass man als Mutter auf einem Chefposten einen Exotenstatus hat. Es sollte normal sein, dass sich auch mal Chefinnen oder Chefs aus einem Meeting verabschieden, weil das Kind eine Bauchgrippe einfangen hat.
Was ich mir ebenfalls wünsche, ist ein längerer Elternurlaub – und zwar so, dass ihn sich auch Paare oder alleinerziehende Mütter leisten können, die kein hohes Lohnniveau haben. Ich finde, bei der Diskussion um Vereinbarkeit von Familie und Beruf fokussiert man zu oft auf die gut ausgebildeten Frauen in Führungspositionen. Aber wirklich kämpfen müssen jene, die in Niedriglohnjobs arbeiten– oftmals noch im Schichtbetrieb oder mit unregelmässigen Arbeitszeiten. Ich weiss ehrlich gesagt nicht, ob ich das packen würde.
Die Verkäuferin hat mir augenzwinkernd erklärt, dass der Staubsauger derart toll sei, dass dann vielleicht sogar mein Mann saugen wolle.
Möchtest Du noch etwas anderes anbringen?
Kürzlich habe ich einen neuen Staubsauger gekauft. Mein Sohn hat mich ins Geschäft begleitet und wir wurden von einer sehr netten Dame beraten. Die Verkäuferin hat mir augenzwinkernd erklärt, dass der Staubsauger derart toll sei, dass dann vielleicht sogar mein Mann saugen wolle. Ausserdem hat sie mir die Vorzüge eines ergonomischen Griffes erklärt, weil man sich ja sonst als Hausfrau rasch eine Sehnenscheidenentzündung einhandele, schliesslich benutze man das Gerät ja sehr oft. Zu meinem Sohn hat sie gesagt: «Gell, mit dem Sauger kannst du dann auch ab und zu der Mama helfen.» Ich habe mich gefühlt, wie in den 50er Jahren. Ich hätte der Dame sagen sollen, dass bei uns insbesondere unsere Haushaltshilfe, aber auch mein Mann und ich und auch unsere Kinder den Staubsauger benutzen werden und dass diese Tätigkeit eigentlich keine reine Mamaangelegenheit ist. Und, dass ich mir eher beim Interview-Tippen als beim Staubsaugen eine Sehnenscheidenentzündung einhandeln werde. Das Beispiel hat mir gezeigt, dass das klassische Rollenbild noch tief in den Köpfen verankert ist. Und es wird noch viel Aufklärungsarbeit brauchen, um dies zu ändern.