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«Jedes Nein ist ein Ja zu etwas anderem»

Christine Traut setzt sich dafür ein, dass Frauen ihr Gleichgewicht finden und aus der Kraft heraus handeln. Als Mentorin und als Mensch steht sie für radikale Selbstverantwortung. Was das bedeutet, was sie Mut kostet und wofür sie dankbar ist, erzählt sie im Glücksgespräch.

Christine, Du hast mich inspiriert, mir morgens eine Frage zu stellen: Wie möchte ich mich heute fühlen? Mit welcher Intention bist Du in den heutigen Tag gestartet?
Sanft zu mir zu sein. Ein grosses Lernfeld von mir ist, mir selbst Ruhe zu schaffen oder Ruhe überhaupt wahrzunehmen. Das kann ich noch gar nicht gut, und ich weiss um dessen Kraft. Die Intention hilft mir, das anders zu machen als sonst.

Was bewirkt diese Intention?
Ich habe nicht so ein Huzzle-Buzzle, sondern habe Tätigkeiten priorisiert. Was ist wirklich wichtig, was ist Nice to have? Ich erlaube mir Langsamkeit. In Viel-los empfinde ich viel Freude und viel Genuss. Jetzt geht es darum, auch im Ruhigen die Freude zu finden.

Was heisst Ruhe? Muss ich da sitzen und nichts tun?

Wie gehst Du vor?
Ich habe darüber nachgedacht: Was heisst Ruhe? Ist der Flow, den ich beim Blogschreiben empfinde, Ruhe? Oder muss ich da sitzen und nichts tun? Darf ich mein Smartphone benutzen?

Wie nutzt Du Dein Smartphone?
Für mich ist es ein Instrument, um mit Menschen in Verbindung zu sein. Viele meiner Freunde sehe ich nur über Social Media, und da kommt etwas zurück. Wenn ich einen Tag Social Media kappe, dann kappe ich diese Verbindungen. Aber ich versuche auch, bewusst alte Kontakte nicht zu pflegen. Dann erlaube ich mir auch, bewusst Nein zu sagen. Jedes Nein ist ein Ja zu etwas anderem. Und eben auch zu Ruhe.

Auf Deiner Website schreibst Du vom Mutmuskel? Was ist das?
Die Idee vom Mutmuskel begleitet mich schon lange. Eine Mentorin in München gab mir Aufgaben, meinen Mutmuskel zu trainieren. Ich sollte auf dem Marienplatz Menschen nach der Uhrzeit fragen. Eigentlich ist das ja unnötig, es gibt dort überall Uhren. Diese Frage hat mir so viele nette Gespräche und Momente gebracht – seither trage ich keine Uhr mehr.

Christine Traut ist MentoringRebellin und steht für radikale Selbstverantwortung ein. Sie begleitet Frauen als Mentorin und inspiriert als Goodfluencerin. Neben ihrer Selbständigkeit ist sie als Senior Sales Managerin für die Swisslife tätig. Mehr von Christine – auch die inspirierende Znüni-Post – gibts auf ihrer Website.

Wie trainierst Du Deinen Mutmuskel heute?
Auch meine Intention, Ruhe zu schaffen, hat mit Mut zu tun. Wenn ich dieses Gespräch hier im Sessel führe, ohne Video und nicht am Schreibtisch, dann ist das auch ein Training für meinen Mutmuskel. Ein anderes Beispiel: Kürzlich habe ich einen Vortrag gehalten und habe statt der gewohnten Langversion eine neue Kurzversion ausprobiert. Vorher habe ich es bewusst niemandem gezeigt. Ich wollte in meiner Energie bleiben.

Wie war es?
Ich habe sehr gutes Feedback bekommen, aber ich war mit mir nicht zufrieden. Normalerweise geben mir diese Vorträge extrem viel Energie. Aber diesmal war ich nach der Präsentation völlig erschöpft. Da habe ich mir Zeit gegeben, zu verstehen, was los war.

Wenn man sich mit Dir beschäftigt, merkt man: Du arbeitest viel an Dir.
Das ist ein Automatismus geworden. Ich will mich reflektieren und erforsche mich sehr gern. Persönlichkeitsentwicklung, Coaching etc. Und auch das Schreiben – sei es mein Blog, sei es mein Buch: Da kriegt man die Selbsterforschung schon mitgeliefert. Diese Reflexion macht mich freier und unabhängiger vom Aussen.

Du schreibst über Dich, gibst Dinge preis. Dieses Ehrlichsein: Braucht das Mut?
Ich brauche keinen Mut dafür. Ich habe gelernt, meine eigenen Geschichten nuanciert zu erzählen. Auf Gespräche bereite ich mich akribisch vor, emotional, spirituell und fachlich. Ich kann sehr gut feilen.

Welche Rückmeldungen bekommst Du?
Die Menschen fühlen sich schnell sehr verbunden. Ich selbst mag das Belehrende nicht. Lieber lasse ich mich mit Geschichten inspirieren. Und du kannst gucken, ob du dich da einklinken willst oder nicht.

Stell Dir mal vor, wenn jede Frau in ihrer Kraft wäre.

Du führst Gespräche mit Deinem Geld. Wie bist Du auf die Idee gekommen und was bewirkt es?
Während meiner Ausbildung in Organisationsaufstellung haben wir sehr viel experimentiert. Man kann alles aufstellen, auch Dinge, die man sonst nicht greifen kann. Das liebe ich, und ich arbeite auch damit. Bei einer Klientin machten wir eine Aufstellung, in der ich für ihr Geld stand. Sie stellte mir Fragen, und ich konnte ihr Antworten geben, die ihr sehr geholfen haben.

Jetzt machst Du das auch für Dich.
Immer Montagmorgen habe ich ein Date mit meinem Geld. Dann nehme ich mir ganz bewusst Zeit dafür – als hätte ich ein Date mit einem Menschen. Es kommt ein guter Fluss zustande, und es entstehen Ideen für mein Geld. Ich finde heraus, wie ich Dinge monetarisieren kann. Es geht auch um die Wertschätzung von Geld.

Was ist Dein Antrieb für das, was Du tust?
Dass ich Frauen in ihre Kraft bringen möchte. Stell dir mal vor, wenn jede Frau in ihrer Kraft wäre. Ich möchte dazu beitragen, dass sie die Kraft in sich entdecken, dass sie sie nutzen lernen und dass sie sie geniessen.

Drunter mach ich’s nicht.

Du verhilfst anderen zu ihrem Glück.
Das Glück ist so ein flüchtiges Ding, das manchmal kurz auftaucht. Für mich ist Zufriedenheit oder Liebe viel treffender. Mir ist nicht das Glück der anderen wichtig. Ich stelle mir eine Welt vor, in der alle Frauen in ihrer Balance sind, in ihrem Alltag ihre Schrittli gehen und damit in ihrer Kraft sind.

Als «Mentorin für radikale Selbstverantwortung» beschreibst Du Dich. Warum?
Drunter mach ich’s nicht. Radikal heisst: Meine Messlatte liegt hoch. Ich will, dass die Frauen, mit denen ich arbeite, zu 100 % in ihrer Selbstverantwortung sind. Es braucht Radikalität im Sinn von Mut. In den Volg gehen und sagen: «Sag mal Elisabeth, was heisst für dich eigentlich Glück?» Radikale Selbstverantwortung bedeutet, sich selbst gegenüber keine Kompromisse zu machen.

Gibt es noch etwas, das Du erwähnt wissen möchtest?
Ja, das Thema Schweiz. Die Schweiz hat mich geprägt.

Die Schweiz bringt mir Ruhe und Gelassenheit und Stille. Das tut mir sehr, sehr gut.

Erzähle.
Ich bin heute bewusst langsamer, klarer, wertschätzender. Es gibt dieses kollektive Vorurteil, dass Deutsche laut und direkt sind. In meiner Anfangszeit in der Schweiz habe ich bewusst darauf geachtet, dieses Vorurteil nicht zu bestätigen – und ich kriege immer wieder gespiegelt, dass ich in diese Kerbe nicht reinhaue. Ich bin hier zu Gast, also benehme ich mich auch respektvoll. Das wäre in einem Land wie Indonesien nicht anders. Ich kann gut spüren, in welchem Kontext direkte Kommunikation angebracht ist. Beruflich zum Beispiel. Manchmal spreche ich offen unter zwei Augen, nicht in der grossen Runde – je nachdem. Die Schweiz bringt mir Ruhe und Gelassenheit und Stille. Das tut mir sehr, sehr gut. Dafür bin ich sehr dankbar.

Porträt Christine Traut: Maren Kindler – Symbolbild: Library of Congress/unsplash

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