Hochzeitstag
Mein Mann weiss zwar nicht, wo er seine Brille, seinen Schal, seine Tasche hingelegt hat. Aber an unseren Hochzeitstag erinnert er sich immer. Bei mir ist das anders.
Als es mir zum ersten Mal passiert ist, waren wir nicht einmal ein Jahr verheiratet. Wir mussten auf einem Formular unseren Hochzeitstag angeben. Ich: „Äh, Liebster. 27. Mai, oder?“ Ganz klein bin ich geworden. Das Staunen in den Augen meines Mannes. Früher konnte ich mir Jahrestage immer merken. Und jetzt? Dabei ist gerade jetzt alles so rund. Muss ich mir Sorgen machen?
Dann kam der Kindergeburtstag, und ich konnte aufatmen: Als wir mit anderen Eltern zwischen Kuchenkrümeln und Spielzeug auf dem Fussboden sassen, sprachen die Väter plötzlich über die neue Vergesslichkeit ihrer Frauen. Auch andere Frauen erinnern sich nicht an ihren Hochzeitstag. Allesamt berufstätige Mütter mit kleinen Kindern, die am Montagmorgen ihre sandigen Spielplatzturnschuhe zu Hause lassen und Pumps tragen.
Vielleicht sollte ich mir also keine Sorgen machen, sondern mich freuen. Vielleicht rückt einfach nur die Gleichstellung in Reichweite. Bisher dachte ich bei Gleichstellung der Geschlechter an andere Aspekte. Dass jeder mal die Windeln wechselt. Dass jeder mal früh ins Büro gehen darf. Dass jeder mal die Nacht durchwacht. Und dass beide einen gerechten Lohn nach Hause bringen.
Alles hat seinen Preis. Vielleicht bezahlen wir die Lohngleichheit damit, dass Frauen auch ein paar schlechte Eigenschaften der Männer übernehmen. Den Hochzeitstag vergessen. Einsilbig werden. Schnarchen. Sich auf offener Strasse im Schritt kratzen.
Unser Hochzeitstag ist der 28. Mai. Ich habe das meinem Handy mitgeteilt, damit es mich von nun an jedes Jahr zwei Tage vorher daran erinnert. Männer tun sowas.