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Montagsblues

Welches Geräusch entsteht in Ihnen beim Gedanken an den ersten Arbeitstag der Woche? Ein kribbeliges Quietschen, fast schon ein «Jippie!»? Oder eher ein langgezogenes Ächzen wie bei einer ungeölten Tür?

Wenn Sie den Montag nicht mögen: Das tut mir leid. Auszusteigen ist nicht so einfach, man hat ja seine Verpflichtungen. Immerhin sind Sie jetzt im verordneten Homeoffice, ersparen sich die unangenehmen Treffen in der Kaffeeküche und können ganz Sie selbst sein. Die Prioritäten richtig zu setzen – Clubhouse, Bootcamp oder noch ein Mailcheck? – ist zwar nicht immer einfach, aber schliesslich ist man doch vernünftig und entscheidet sich für die Arbeit.

Das Gute an dieser ausserordentlichen Zeit: Es bieten sich unzählige Gelegenheiten, das eigene Potenzial zu entdecken. In einem Gespräch auf Clubhouse, dem ich kürzlich folgen durfte, erzählte eine Literaturagentin, dass ihr Briefkasten seit Beginn der Pandemie kaum mehr fassen könne, was an Manuskripten eintreffe. Offenbar nutzen viele Menschen die Zeit, um den Roman zu schreiben, mit dem sie schon lange schwanger gehen. Nie waren die Voraussetzungen dafür besser als jetzt. Ich liebe Homeoffice! Wobei: Ich habe natürlich leicht reden. Als Selbständige isst man die Motivation täglich mit den Frühstücksflocken. Dass ich den Montag kaum erwarten kann, versteht sich von selbst.

Die Kolumne ist Teil der Serie «Mehrwert» des Verbands Frauenunternehmen., erschienen am 8. April 2021 in der «Handelszeitung».

Ihr Vorgesetzter lehnt Homeoffice ab? Oh, schade. Als Teammitglied eines Motivationsleugners wissen Sie dafür sicher bestens Bescheid: Wir sind zum Arbeiten hier, nicht zum Vergnügen. Das Leben ist kein Ponyhof. Und so ein bisschen Montagsblues gehört halt dazu. Sie haben ja recht. Obwohl ich ein grosser Fan von Homeoffice bin, muss ich gestehen: So ganz ungefährlich ist diese Form des Arbeitens natürlich nicht. Besonders dann nicht, wenn man den eigenen Leuten nicht traut. Mitarbeitende verlieren sich in Ablenkungen, sind kaum kontrollierbar – und das Schlimmste: Sie riskieren, fernab vom firmeneigenen Schreibtisch die Berufung zu finden.

«Arbeiten, um Geld zu verdienen, war gestern. Ab heute lautet das Ziel: arbeiten, um persönliche Erfüllung zu finden.» Diese beiden Sätze – zu lesen auf dem Umschlag von John Streleckys «The Big Five for Life» – scheinen in den Menschen etwas zu berühren. Das Buch zählt zu den meistverkauften Titeln dieser Zeit. Denn eigentlich: So tief im Herzen wünschen wir uns doch alle, der Montag wäre unser Lieblingstag.

(Beitragsbild: Seth Doyle / unsplash)

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