Höflich drängeln: «zeitnah»
Man muss sich dieses Wort auf der Zunge zergehen lassen: zeit-nah. Ein Schmankerl. Zeit: dieses unzugängliche Mysterium, das jeden verzweifeln lässt, der sie am Versickern hindern möchte. Eben dieses Unnahbare wird ausgerechnet mit dem Adjektiv nah gepaart.
Täusche ich mich oder taucht das Wort zeitnah heute im geschäftlichen Kontext häufiger auf als noch vor wenigen Jahren? Auf jeden Fall finde ich, zeitnah passt wunderbar zum Zeitgeist.
Privatleben und Beruf fliessen beinahe grenzenlos ineinander über.
Wir stehen fast permanent unter Zeitdruck.
Momente des Flows, in denen man sich in eine Sache vertiefen kann, sind selten und wollen bewusst verteidigt werden.
Unser Beitrag zum Flow des anderen: Wir telekommunizieren vermehrt schriftlich. Das Motto: Jetzt bloss nicht stören!
Und genau dann kommt das Schmankerl-Wort zum Zug. Wir schreiben eine E-Mail und bedanken uns vorab für eine zeitnahe Rückmeldung/Umsetzung/Entscheidung.
Mit dem Wort zeitnah gelingt uns das scheinbar Unmögliche: Wir vermitteln unserem Gegenüber eine gewisse Dringlichkeit, ohne uns aufzudrängen. Die Botschaft: «Teil Dir Deine Zeit ein – und mach bitte schnell.»
Ich mag Wörter. Deswegen reflektiere ich hier die Sprache des Alltags, liebevoll und mit einem Augenzwinkern. Wenn Sie mal ums passende Wort verlegen sind, helfe ich als professionelle Texterin gern weiter. Schreiben Sie mir.
Foto: Joanna Kosinska / unsplash