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«Diese Aha-Momente machen mir Freude»

«Mit Mut fangen die schönsten Geschichten an», sagt Ute Kottwitz. Und Mut beweist sie immer wieder. Etwa indem sie ihre Stelle in der Pharmabranche an den Nagel hängt, um fortan Menschen zu innerer Stabilität zu verhelfen. Oder indem sie sich in der Öffentlichkeit bei ihrer Schwester bedankt – auch um anderen Menschen Mut zum eigenen Gefühlsausdruck zu machen.

Ute, was bedeutet Glück für Dich?
Für mich ist Glück nicht nur etwas Grosses. Für mich sind es kleine Momente. Wenn ich mit jemandem ein gutes Gespräch habe oder wenn ich lache. Die vielen kleinen Glücksmomente können das grosse Glücksgefühl sein. Am Ende des Tages zu sagen: Was war heute ein schöner Moment? Was hat mich heute glücklich gemacht? In Frieden den Tag beenden. Glücklich bin ich, wenn ich mit meiner Familie und Freunden zusammen bin, wenn ich reise, wenn ich meinen Hobbies nachgehen kann, wenn ich bei meiner Arbeit spüre, dass ein Knoten beim Klienten aufgegangen ist: Diese Aha-Momente machen mir Freude.

Lass zu, dass Du genervt bist.

Wie kann ich steuern, ob ich Dinge als Glücksmomente erlebe oder als nervig?
Indem Du einfach mal loslässt und nicht wertest, einfach den Moment annimmst: So wie es ist, ist es. Lass zu, dass Du genervt bist.

Lange Zeit war Ute Kottwitz in der Pharmabranche tätig, doch die ungenützten Potenziale einzelner Menschen schienen ihr spannender als neue Marktanteile. So stieg sie nach einer familienbedingten Pause um und absolvierte am Institut für körperzentrierte Psychotherapie (IKP Zürich) eine Ausbildung. Seit 2018 ist sie selbständig mit ihrer Praxis für psychosoziale Beratung.

«Beratung für innere Stabilität» liest man auf Deiner Website. Wie muss man sich das vorstellen?
Innere Stabilität: Ich finde es wichtig, dass man die hat. Viele verlieren den Halt und spüren den Boden nicht mehr. Stabilität kann für jeden anders sein. Für mich bedeutet sie auch Haftung und Halt, die mich davor bewahren, ins Bodenlose zu fallen.

Wie findet man die innere Stabilität?
Ich mache mit meinen Klienten auch ganz einfache Sachen, wie zum Beispiel, sich mit nackten Füssen auf den Boden zu stellen. Für viele ist das ein Aha-Moment.

Etwas ganz Kleines.
Genau. Wenn man sich in einer Zeit befindet, in der man sehr unglücklich ist – da kannst Du nicht mit Riesenveränderungen kommen. Es sind wirklich kleine Sachen, die sich verändern müssen. Zum Beispiel dass Du wieder weisst: Der Boden trägt mich.

Vor Deiner Selbständigkeit hast Du im Marketing und im Vertrieb gearbeitet.
Es ging immer um Zahlen und Deadlines, alles war sehr strukturiert. Wenn ein Kunde mal mehr Zeit für eine Entscheidung brauchte, konnte darauf keine Rücksicht genommen werden. «Schnell, schnell, schnell», war die Devise: In so einem System geht der Mensch verloren.

Die Lösung kann ich nicht vorgeben, die muss jeder selbst herausfinden.

Jetzt kümmerst Du Dich darum, dass der Mensch eben nicht verloren geht.
Ja. Ich liefere nicht die Lösung. Ich bin keine Psychotherapeutin, zu der die Menschen jahrelang hingehen, sondern es sind vielleicht drei Beratungssitzungen. Mein Angebot heisst «Meine Stunde», und es ist die Stunde meiner Klienten. Deswegen kann man auch nie sagen, es läuft nach Plan A oder Plan B ab. Oft ist es sehr spontan, aber immer bedürfnisorientiert.

Wie beziehst Du den Körper mit ein?
Wenn zum Beispiel jemand sagt, er spüre einen Klumpen im Bauch oder im Herzen. Dann versuche ich, dem Menschen mit diesem Klumpen ins Gespräch zu verhelfen.

«Schnell, schnell, schnell», war die Devise. In so einem System geht der Mensch verloren.

Ein Klumpen: schlechte Bauchgefühle?
Ja, das können schlechte Bauchgefühle sein. Da kann man sagen: Was braucht es, damit der Klumpen kleiner wird? Man trägt die Lösung immer in sich selber. Die kann ich nicht vorgeben, sondern jeder muss sie selbst herausfinden. Zum Beispiel einmal in der Woche etwas machen, was einem guttut.

Hattest Du jemanden, der Dir geholfen hat, aus Deinem Rad zu treten?
Nein. Ich musste immer sehr viel mit mir selber ausmachen, schon als Kind. Ich habe immer sehr viel nachgefragt und als ich noch Kind war, sagte man mir deswegen, ich sei schwierig. Nicht jeder ist so stark und kann das alleine. Dabei ist es nicht schlimm, wenn man sich Hilfe holt, um einer psychischen Erkrankung oder einem Burnout vorzubeugen. Es kommt sehr viel Gutes zurück, wenn Du mal sagst: Ich komme nicht mehr weiter. Wenn man nie Schwächen zugibt, sieht das Umfeld ja gar nicht, wie es einem wirklich geht. Dass wir nicht nur Stärken haben, macht uns ja auch so liebenswert und vielfältig und einzigartig.

Die Frage zum Abschluss: Hast Du ein Ritual, mit dem Du Dich erdest?
Ich spüre ganz oft mit der rechten Hand meinen Pulsschlag. Dann bin ich präsent und bekomme ein Bewusstsein dafür, dass ich da bin.

Bildautoren
Foto Ute Kottwitz: Bosa Feurer
Symbolbild: Timothy Dykes / unsplash

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