Über Zusagen und das Nein-sagen: Was mich dieses Buch gelehrt hat
«Warum habe ich mich bloss auf dieses Buch eingelassen?» Mehr als einmal habe ich mich das gefragt. Heute bin ich froh um dieses Buch. Nicht nur wegen des Themas Freitodbegleitung. Auch wegen dem, was ich dabei gelernt habe. Fürs Leben und über mich.
Zurzeit bereiten mein Co-Autor Christophe Huber und ich einige Veranstaltungen zu unserem Buch «Sterben müssen – sterben dürfen?» vor. Das trägt mich gedanklich zurück in die Zeit, als ich intensiv am Manuskript gearbeitet habe. Ich habe Dinge gelernt, die ich vorher nicht erwartet hatte, teils schmerzhaft. Das sind drei der Learnings, die mich seither jeden Tag begleiten:
1. Nur wer fragt, kann auch eine Zusage bekommen.
Jahrelang habe ich den Wunsch mit mir herumgetragen, ein Buch zu schreiben. Habe ich irgendwelche Schritte in diese Richtung unternommen? I wo! Geträumt habe ich und gewartet.
Wenn ich früher vom Bücherschreiben träumte, hatte ich ein Thema aussen vorgelassen: die Finanzierung. Wie Bücherschreiben und Geld miteinander zusammenhängen, lernte ich beim Schreibwerk Ost. Michèle Minelli zeigte mir, wie man Stiftungen um einen Werkbeitrag anfragt und wie man einen Verlag findet.
Drei Verlage haben wir für eine Zusammenarbeit angefragt, und Stämpfli hat sich schnell für unser Projekt entschieden. Als der Verlag im Boot war, folgten auch die ersten Stiftungen.
Wie geht ein Arzt mit dem moralischen Konflikt um, wenn ein*e Patient*in mit Freitodbegleitung aus dem Leben scheiden will? Der Arzt Christophe Huber hat zahlreiche Dossiers von Sterbewilligen geprüft und mir von seinen Erfahrungen erzählt. Daraus entstanden ist ein Buch zum Nachdenken und Diskutieren: «Sterben müssen – sterben dürfen? Freitodbegleitung und die Rolle des Arztes».
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2. Zeit und Energie sind begrenzt.
Als neugieriger Mensch kann ich mich für unzählige Dinge begeistern. Und wenn es nicht Begeisterung ist, dann doch mindestens Interesse. Umso wichtiger: Fokus.
In der ersten Zeit kam immer etwas zwischen mich und meine Arbeit am Buch: ein wichtiger Auftrag, Schulferien, Corona – das Leben.
Erst als ich begonnen habe, in streng definierten Zeitblöcken am Text zu arbeiten, ging es wirklich vorwärts. Die ersten drei bis vier Stunden meines Arbeitstags widmete ich fortan unserem Buch, mit eiserner Disziplin. Selbst den Interviews, die ich zuvor vor mir hergeschoben hatte, konnte ich nun nicht mehr ausweichen. Wie gerne hätte ich manchmal Fenster geputzt oder den Keller aufgeräumt.
Nächste Veranstaltungen
Montag, 13. Februar 2023
Vortrag, Lesung & Diskussion
Kirchgemeindehaus Dietlikon (ZH)
Donnerstag, 9. März 2023
Vortrag, Lesung & Diskussion
Haus Gutenberg, Balzers (Liechtenstein)
3. Nein-Sagen ist besser, für alle.
«Ein Buch ist wie ein junger Hund», hat mir einmal jemand gesagt. «Er will immer mit Dir spielen und bekommt nie genug davon.» Tatsächlich könnte man immer noch mehr Zeit ins Buch investieren. Es gibt immer noch eine Studie zu lesen und noch eine Person zu befragen und noch eine treffendere Formulierung zu finden.
Manchmal muss man Nein sagen, auch wenn das im ersten Moment unangenehm ist. Mir war es unangenehm, drum habe ich im Herbst 2020 eine persönliche Grenze überschritten: Ich sagte Ja zur perfekten Deadline. Bloss: Sie war perfekt für das Buch und passte nicht zu meiner Realität. Ich setzte mich damit so sehr unter Druck, dass mich erst mein Körper stoppen konnte. Ich wurde krank, lag wochenlang geschwächt im Bett und war gezwungen, die perfekte Deadline nach hinten zu schieben.
Nein-Sagen war vorher schlicht nicht Teil meines Repertoires. Heute weiss ich, dass auch ein realistischer Zeitplan erst durch Nein-Sagen möglich ist. Seitdem übe ich mich darin. Und wenn ich sehe, wofür ich dadurch Zeit bekomme, macht das sogar Spass.