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«Ihr wart schräg früher!»

Wie werden wir in 50 Jahren leben? Wie sieht dann der Alltag in einer Baugenossenschaft aus? Eine Kolumnistin auf der Suche nach Antworten, nicht immer ernst gemeint.

Liebe Barbara

Heute kann ich Dir in Ruhe schreiben. Die Verbindung am letzten virtuellen Treffen war schlecht, da verging mir die Lust am Erzählen. Du hast toll ausgesehen, übrigens. Die Luftveränderung scheint Dir gut zu tun.

Noah, mein Urenkel, hat gestern seinen neunten Geburtstag gefeiert. Und rate mal, wo – im SiKo-Lokal! Es war ein Kindergeburtstag wie aus unserer Zeit, mit Topfschlagen, Schoggi-Spiel und «Reise nach Jerusalem». Vintage Party nennen sie das jetzt, und bei den Kindern ist es der letzte Schrei.

Noah also. Zuerst hat er richtig recherchiert. «Oma, welche Spiele habt Ihr damals gespielt?» – «Was ist eine Skibrille?» – «Und Ihr habt Euch damals echt getroffen? Im selben Raum ohne Masken?» Das fand er besonders skurril. Als ich ihm von «DerTreffpunkt» und «DasSeniorencafé» erzählte, kuckte er mich irritiert an. «Ihr wart schräg früher!»

Die Kolumne erschien in «DasHeft» Nr. 14 zum 80-Jahr-Jubiläum der Baugenossenschaft Sunnige Hof. Drei Gastkolumnistinnen – Karin Keller, Jenny Zimmermann und ich – wagten einen Blick in die Zukunft des genossenschaftlichen Lebens.

Physische Anlässe kennt Noah schon auch noch. Aber seit der letzten Pandemie finden sie hier meistens im Freien statt. Heute haben wir ja eine ganz andere Planungssicherheit als früher. Die Schönwetterperiode ist ausgedehnter, und durch die Klimaerwärmung können wir von der Gartengruppe sogar nach der Mandelernte abends draussen sitzen, um genossenschaftlich Mandeln zu knacken. Inmitten von Eukalyptus, Strelitzien und Bananenstauden hält man es gut aus (Fotos siehe Anhang). Aber ich schweife wieder ab …

Noahs Wunsch, im SiKo-Lokal zu feiern, schien am einfachsten Ding zu scheitern: dem Schlüssel. Ich bin ganz ehrlich: Es ist eine tolle Sache, dass die Mitarbeitenden der Geschäftsstelle sich aussuchen können, wo sie arbeiten. Einige verbringen den grössten Teil des Jahres in Lappland, weil es dort noch genügend Trinkwasser gibt. Aber wenigstens die Hausmeister müssten doch hier bleiben. Als Eure neue Siedlung auf dem Mars eingeweiht wurde, reiste unser Hausmeister mit – und ausgerechnet den Schlüssel fürs Siedlungslokal hatte er in der Tasche! Gottseidank gibt es moderne Technik. So hat er den Schlüssel eingescannt, und Noah konnte ihn mit dem 3-D-Drucker ausdrucken. Das Fest war ein Erfolg. Von den Erinnerungen werden die Kinder lange zehren.

Oh, und bevor ich es vergesse: Die SiKo lässt fragen, ob du dieses Jahr wieder mit deiner Familie zur Orangenernte in die Stammsiedlung kommst. Sie würden dann eine ausserordentliche Siedlungsversammlung organisieren, und du könntest von Euren neuen Strukturen auf dem Mars erzählen. Überlegt es Euch – wäre toll.

Ganz liebe Grüsse aus Zürich,

Isabell

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