Branding: Die eigene Persönlichkeit erkennbar machen
Wer bin ich? An wen richte ich mich? Und wozu braucht ein kleines Unternehmen überhaupt Branding? Design-Strategin Valérie Vuillerat über den Auftritt nach aussen – und die Entwicklung von innen.
Eine Kundin hat mir mal gesagt: «Um meine Marke kümmere ich mich, wenn ich so gross wie Apple bin. Jetzt ist dafür keine Zeit.» Valérie, wann ist der richtige Zeitpunkt für Branding?
Valérie Vuillerat: Meist wird es erst dann ein Thema, wenn ein Logo irgendwohin hin geschickt werden soll, es eine Visitenkarte oder eine Website braucht.
Warum braucht es Branding eigentlich?
Bei kleinen Unternehmen finde ich den Wiedererkennungseffekt nicht so wichtig. Der visuelle Auftritt einer Unternehmung vermittelt vielmehr den Charakter und wie ernst ich mich und meine Firma nehme. Will ich einen professionellen Auftritt? Bei kleinen Unternehmen ist der Brand der Ausdruck der eigenen Persönlichkeit. Er stellt mich dar, auch wenn ich als Mensch gerade nicht präsent bin.
Mit dem Gestalten alleine ist es nicht gemacht.
Wann ist es ratsam, sich Hilfe zu holen? Und was kann ich selbst machen?
Wenn jemand Freude am Gestalten hat, kann man heute fast alles selbst machen. Dafür gibt es viele Tools, die einen unterstützen. Jedoch ist es mit dem Gestalten alleine nicht gemacht.
Was ist an Vorarbeit zu leisten?
Für den Markenaufbau ist die Auseinandersetzung mit der eigenen Originalität, seiner Individualität und der eigenen Werte wichtig. Ohne externe Unterstützung nimmt man sich meist die Zeit nicht, grundlegende Dinge zu entwickeln.
Weil jemand von aussen durch seine Präsenz fordert, dass man dranbleibt.
Ja. Von meinen Kund*innen höre ich, dass sie diesen Prozess, dieses Weiterentwickeln als wertvoll empfinden. Und sie haben jemanden, der die richtigen Fragen stellt.
Wie bist Du für Dein Unternehmen vorgegangen?
Ich hatte michintensiv mit meiner eigenen Persönlichkeitsentwicklung beschäftigt und mir deswegen viele Fragen gestellt.
- Was ist meine Originalität?
- Was macht meine Individualität aus?
- Was sind meine Stärken und Potenziale?
- Wie nehme ich mich selbst wahr und wie möchte ich wahrgenommen werden?
Dank dieses Prozesses hat sich auch mein visueller Auftritt abgezeichnet. Es hat Zeit gebraucht. Ein Jahr zuvor war ich noch nicht so klar.
Du bietest ein Design-Audit an. Erzähle davon.
Da analysiere ich alle Kommunikationsmittel, die eine Firma verwendet, auf ihre Konsistenz hin. Bei kleinen Unternehmen gibt es meist keine Brand-Guidelines, keine Regeln. Wenn nicht eine Agentur dahinter ist, wird da ganz unterschiedlich gearbeitet. Wie wird das Logo angewendet? Wie wird mit Farben gearbeitet? Welche Fotos werden verwendet? Bei der Design-Analyse analysiere ich auch den Brand selber: Wie kommt er daher? Welche Gefühle löst er aus? Stimmen die Resultate mit dem überein, was die Firma will?
Was passiert dann?
Mit den Ergebnissen meiner Analyse erstelle ich einen Bericht und einen Vorgehensvorschlag mit Verbesserungspotenzial: Wo kann man z. B. mit relativ wenig Aufwand mehr Konsistenz in der Anwendung des Brands erwirken? Schlussendlich zahlt das in die Professionalität gegen aussen ein. In der Folge entstehen häufig auch Guidelines.
Man kommt nicht darum herum, sich die Zeit für den Markenauftritt zu nehmen.
Ja, natürlich. Von nichts passiert nichts. Wer bin ich, wie will ich nach aussen auftreten? Wie möchte ich wahrgenommen werden?
Wie nähere ich mich dem Thema Zielgruppe?
Ich komme aus dem kundenzentrierten Vorgehen und bin immer wieder überrascht, wie wenig Unternehmen über ihre Zielgruppe wissen. Die Zielgruppe wird spätestens dann wichtig, wenn Du Dein Angebot und den Nutzen Deines Angebots formulieren willst. Was Du dann wissen musst: Wer ist meine Zielgruppe? Was motiviert sie und was macht diesen Menschen Angst? Wie kann ich sie mit meinem Produkt/Angebot unterstützen? Welchen Nutzen haben sie?
Die Wurzel der Kreativität liegt in der Fähigkeit, in die Tiefe zu schauen.
Ein weiteres Thema, das Dich begleitet, ist Kreativität. Du hast kürzlich einen Vortrag darüber gehalten. Erzählst Du uns von Deinen Überlegungen?
Wir alle sind kreative Wesen, und als solche fragen wir uns stets: Wie könnte ES noch besser werden? Was auch immer ES ist: Eine berufliche Aufgabe, die Beziehung oder das Leben als Ganzes.
Valérie Vuillerat in 3 Antworten
- Was hast Du dieses Jahr gelernt? Den Kopfstand. Du gehst in eine andere Perspektive, musst die Beine hochbringen und überwindest die Angst vor dem Umfallen.
- Wofür hättest Du gern mehr Zeit? Man kann nie genug Zeit für sich haben.
- Wie tankst Du auf? In der Natur. Wenn ich Yoga praktizieren kann. Beim Meditieren. An einem Tag ohne Termine.

Was ist Kreativität?
Kreativität ist nichts anderes, als etwas ins Sein zu bringen, das vorher nicht da war. Die Wurzel der Kreativität liegt in der Fähigkeit, in die Tiefe zu schauen. Hinter das Gewöhnliche und Alltägliche zu blicken und zu dem zu gelangen, was für andere Unsichtbar bleibt.
Wie meinst Du das?
Ziel im kreativen Prozess ist es, die speziellen, einzigartigen Merkmale der eigenen Weltansicht zu verstärken und ihre Originalität zum Ausdruck zu bringen. Das bringt die kreativsten Ideen und Lösungen zum Vorschein. Bei der Kreativität ist es massgeblich, dass die Entscheidung das ausdrückt, was ich bin. Wenn jemand mich beauftragt, ein Logo zu kreieren, dann will er das auf Basis meines Spirits, meines Hintergrunds und mit meiner Erfahrung – und nicht etwas aus dem Internet. Darum hat Kreativität sehr viel mit Persönlichkeit zu tun.
Du hast den Prozess der Persönlichkeitsentwicklung vorhin erwähnt. Was hat dieser Prozess bei Dir bewirkt?
Ich habe heute viel mehr Bewusstsein und Vertrauen in mich selbst. Wenn ich Impulse wahrnehme, gehe ich ihnen nach. Und wenn ich gerade nicht kann, notiere ich es mir. Früher war ich so busy, dass ich nicht wahrgenommen habe, wenn ein Impuls kam – und ich hätte mir wohl auch nicht die Zeit genommen. Ich war im Hamsterrad und habe vor allem funktioniert. Auch damals war ich kreativ. Aber heute habe ich viel mehr Leichtigkeit. Ich bin mutiger geworden, auch meine Designs. Die Energie fliesst anders.
Bilder: privat
