«SEO = Business»
Die Zielgruppe dort abzuholen, wo sie steht: Das sei wertvoller, als einen Algorithmus zu knacken. Im Interview spricht SEO-Experte Philipp Bachmann über nutzlose Google-Rankings; über Bewertungen, die Gold wert sind; und darüber, wofür er sich als Unternehmer jeden Tag Zeit nimmt.
Philipp, wie viel Zeit investierst Du in Deine Marketing-Aktivitäten?
Philipp Bachmann: Viel zu wenig. Im Schnitt investiere ich etwa einen Arbeitstag pro Woche, verteilt auf meinen Podcast, LinkedIn und die Weiterentwicklung meiner Website. Es gibt Phasen, in denen ich mehr Zeit habe, aber oft bleibt einiges liegen.
Welche Philosophie verfolgst Du, wenn es um Suchmaschinenoptimierung (SEO) geht?
Ich sage: «SEO = Business». Die meisten würden vermutlich sagen, dass es am wichtigsten ist, im Google-Ranking ganz oben zu erscheinen. Das stimmt in gewisser Weise schon, aber es reicht schon lange nicht mehr. Man kann Top-Rankings haben und trotzdem keinen Umsatz machen.
Kannst Du das erklären?
Ich gebe Dir ein Beispiel. Einmal hatte ich ein sehr gutes Ranking mit dem Keyword «Webentwickler». Da habe ich zum ersten Mal realisiert, dass eben Sichtbarkeit allein nicht hilft.
Was war das Problem?
Mein Ziel war es, kleine Unternehmen anzusprechen, die eine neue Website brauchten. Aber wer mit dem Wort «Webentwickler» sucht, sucht meist im beruflichen Kontext – also nach einem Webentwickler als neuem Angestellten. Ich war also sichtbar mit meinem Keyword, aber nicht bei meiner Zielgruppe.
Wenn es nicht (nur) um das Ranking in den Suchmaschinenergebnissen geht: Worum geht es dann?
Darum, die Bedürfnisse Deiner Zielgruppe zu verstehen und den gesamten Verkaufsprozess – die Customer Journey – zu berücksichtigen. Das ist ein langer Weg. Am Anfang weiss Dein*e Kund*in vielleicht noch gar nicht, was sie oder er braucht. Man hat ein Problem und sucht eine Lösung. Bis die Zielgruppe bereit ist, das Portemonnaie zu zücken: Da steht eine Verkettung von Ereignissen dahinter. Idealerweise begleitest Du sie auf ihrer Customer Journey.
Kommen wir zum Unternehmensblog als Marketing-Instrument. Wenn ich regelmässig zu meinen Themen blogge: Ist da irgendwann ein Ende erreicht? Wie viele Beiträge braucht es?
Ein Blog ist eine wunderbare Möglichkeit, um den Content zu liefern, mit dem man die Zielgruppe abholen kann. Er ist häufig der Ersteinstieg, wenn es um SEO geht. Solange es Themen gibt, die behandelt werden können, ist man nicht am Ende. Allerdings sollte man aufpassen, dass man nicht immer wieder das Gleiche abdeckt. Sonst führt das zu sogenanntem Content-Kannibalismus, das heisst, man konkurriert sich selbst mit Content. Aber ich sehe das nicht so eng. Man kann das gleiche Thema aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten. Wichtig ist, dass man die Customer Journey im Auge behält.
Ich muss verstehen: Was wollen die Leute finden? Was beschäftigt sie?
Wie setzt Du das in der Praxis um?
Wenn man auf Platz 1 sein will, dann muss man die bestmögliche Website für das bieten, was die Menschen finden wollen. Ich überlege mir, wie meine Zielgruppe auf ihrer Recherche vorgeht. Was wollen die Leute finden? Was beschäftigt sie? Man spricht hier von der Suchintention. Der Suchalgorithmus von Google ist objektiv und versucht, mit x-tausend Faktoren herauszubekommen, welche die beste Website für eine Suchanfrage ist. Das kann ich nicht manipulieren. Ich muss nicht versuchen, den Algorithmus zu hacken, sondern den Menschen verstehen.
Wie gehst Du vor, um die Bedürfnisse Deiner Zielgruppe zu verstehen?
Wenn ich eine Zielgruppen-Analyse mache, lese ich vor allem Rezensionen. Rezensionen, die bei den Google-Profilen der Mitbewerber hinterlassen wurden, sind eine Goldgrube. Ich schaue mir an, was Kund*innen dort loben oder kritisieren. Das hilft mir nicht nur, ihre Bedürfnisse zu verstehen, sondern auch ihre Sprache.
Hast Du ein Beispiel?
Einmal habe ich zum Thema Hochzeitsfotografie recherchiert. In vielen Bewertungen wurde lobend erwähnt, dass die Fotograf*innen unauffällig waren und kaum bemerkt wurden. Ohne diese Recherche hätte ich das nie als wichtiges Kriterium wahrgenommen.
Spannend.
Ja, man kommt so auch auf Formulierungen, an die man sonst nicht gedacht hätte. Und Rezensionen gibt es natürlich nicht nur bei Google, sondern auch in Social-Media-Kommentaren oder auf Amazon.
Bei der idealen Länge von Blogartikeln gehen die Meinungen auseinander. Was empfiehlst Du?
Ich würde sämtliche Empfehlungen ignorieren, den Kopf einschalten und mich fragen: Was ist ungefähr das, was meiner Zielgruppe in ihrer Situation am meisten bringt? Es gab lange diese 2000-Wörter-Empfehlung. Meiner Meinung nach ist das Unsinn, weil sich die Qualität eines Textes nicht aus der Anzahl Wörter ergibt, sondern aus dem, was darin gesagt wird. Es gibt sicher Themen, wo es etwas mehr Text sein darf. Nehmen wir an, Dein Hauptprodukt sind Kurse. Dann will Deine Zielgruppe Neues erfahren und ist wohl auch für einen langen Text zu begeistern. Aber wenn die Leute nur einen Begriff für ein Kreuzworträtsel suchen, braucht es das nicht.
Lieber weniger häufig posten als mit schlechter Qualität
Gibt es für Dich eine ideale Erscheinungs-Häufigkeit?
Klasse geht vor Masse. Die Unternehmen, mit denen ich arbeite, haben keine Redaktion, die täglich guten Content erstellen kann. Deswegen lieber weniger häufig posten, als schlechte Qualität zu veröffentlichen.
Wie viel Zeit rechnest Du für einen Beitrag?
Wenn ich einen guten Beitrag schreiben möchte, vier bis fünf Stunden. Wenn er sehr gut sein soll, auch mal zehn Stunden. Aufgrund meiner Kapazitäten kann ich also nicht mehr als zwei sehr gute Beiträge im Monat veröffentlichen. Natürlich hätte ich noch eine lange Liste von Keywords, die ich mit meinen Blogartikeln abdecken möchte. Aber da darf man sich nicht hinreissen lassen: Die Qualität muss stimmen.
Die Qualität hat auch einen Einfluss auf das Google-Ranking?
Man geht davon aus, dass Google zwei Ratings für Dich hat. Eines betrifft Deine komplette Website, das andere die einzelnen Seiten. Wenn Du also ständig schlechten Content mit schlechtem Einzelrating veröffentlichst, wirkt sich das langfristig negativ auf Deine Gesamtbewertung aus. Darunter leiden dann auch Deine guten Artikel.
Wie siehst Du die Zukunft von SEO in Verbindung mit künstlicher Intelligenz (KI)?
Ich bin kein Prophet, aber ich glaube nicht, dass sich alles so radikal ändern wird, wie manche denken. Google wird dominant bleiben, und KI wird eher ergänzend zur klassischen Suchmaschinenoptimierung wirken. Was sich wahrscheinlich ändert, ist die Art und Weise, wie die Ergebnisse angezeigt werden. Aber am Ende gilt: Wer den besten Content bietet und die Zielgruppe versteht, wird auch in einer KI-geprägten Welt erfolgreich sein.
Das Beste: wenn es wirkt.
Zum Abschluss noch drei Fragen, die nichts mit SEO zu tun haben. Zuerst: Was hast Du zuletzt gelernt?
Mein konkretes Learning hat mit dem Thema Mindset zu tun. Wenn man negative Gefühle hat – Wut, Frust, Traurigkeit, Ungewissheit –, sollte man ihre ehrliche Quelle finden. Vielleicht liegt der wahre Grund darin, dass man sich in der eigenen Person verletzt fühlt. Weil man sich selbst nicht treu geblieben ist. Dann kann man sich der Quelle des eigenen Frustes bewusst werden. Mein Learning ist, dass ich mir Zeit nehme, diese Mindset-Arbeit zu machen – und immer wieder mit mir selbst ins Reine komme.
Zweite Frage: Was ist der beste Moment in Deinem Job?
Wenn es wirkt. Wenn jemand mich findet, weil die SEO gefruchtet hat. An solchen organischen Treffern habe ich viel mehr Freude, als wenn mich jemand über Ads findet. Ich hätte jetzt natürlich sagen können: Das Schönste ist, wenn die neue Website einer Kundin, eines Kunden live geht. Und natürlich freue ich mich da auch. Der Unterschied ist: Das Go-live kann ich beeinflussen, bei Google spielt man immer auch ein bisschen mit dem Glück.
Die dritte und für heute letzte Frage: Wie kommst Du zur Ruhe?
Ich spaziere jeden Tag um 11 Uhr eine Stunde. Und das empfehle ich allen, die selbstständig sind. Nicht nur wegen der körperlichen Gesundheit. Diese Stunde erlaubt es mir, über all die Dinge nachzudenken, die mich beschäftigen. Das braucht seine Zeit, und die muss man sich nehmen.
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Bilder – Symbolbild: édition Rüdt mithilfe von Dall-E | Porträt Philipp Bachmann: Manuel Kälin